Kölner ehrentheaterpreis 2018

Am 3.12.2018 wurde Regisseurin Sabine Hahn von der SK Stiftung Kultur für Ihre Arbeit mit den Theaterkönigen der Ehrentheaterpreis verliehen. Die Jury begründete ihre Entscheidung mit den Worten: "In einem großen logistischen Kraftakt mit viel Engagement und Empathie werden Stücke der Weltliteratur und die großen Menschheitsthemen in einer ganz eigenen Bildsprache vor einer immer größer werdenden Fangemeinde und mit viel Spielfreude auf die Bühne gebracht."

 

 

Hier die Laudatio von Andra Hoßfeld von der freien Volksbühne Köln e.V.:

 

„Inklusion“ sagt Sabine Hahn, als ich sie treffe, um von ihr zu erfahren, wie alles begann, „das interessiert mich nicht“. Neugier und Lust habe sie dazu gebracht, die Theatertruppe „Theaterkönig“ zu gründen, ein soziales Engagement habe sie nicht getrieben. Irgendwann habe sie Wohnheime für Menschen mit Behinderung angerufen und gefragt, ob es Theaterinteressierte gebe. Und ja, die gab es!

 

Also startete Sabine Hahn mit einem bunten Haufen aus Menschen mit und ohne Behinderung 2006 mit der Vorbereitung ihrer ersten Produktion. Ein Jahr später ist es soweit: Mit keinem geringeren Stoff als dem um den berühmten Dänenprinzen mit seinem verkorksten Verhältnis zu seiner Verwandtschaft – mit „Hamletmaschinchen“ nach F.K. Waechter, startet die Truppe. Die Produktion stemmt Sabine Hahn noch ohne finanzielle Unterstützung. Aber immerhin ist das Comedia-Theater als Aufführungsstätte bereits mit im Boot. Auch die nächsten Produktionen orientieren sich noch an literarischen Vorlagen. 2008 kommt eine „Odyssee“-Bearbeitung auf die Bühne, 2010 das Grimmsche Märchen „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“; 2011 ist es „Liliom“ nach Ferenc Molnár, dann folgt Shakespeares „Sturm“. Gewaltige Stoffe, die um die großen Menschheitsfragen kreisen, um Freundschaft, Liebe, Gewalt und Misstrauen, um Macht, Ohnmacht und vermeintliche Intelligenz.


Nein, behindertenspezifisch sind diese Stoffe nicht. Auch daran hat Sabine Hahn kein Interesse. Denn ist es nicht viel spannender, sich mit dem zu beschäftigen, was alle verbindet? Ängste und Nöte zum Beispiel, Liebe und Freundschaft, das Ringen um Anerkennung. Immer mehr kristallisieren sich in der Truppe spezifische Begabungen heraus.


Lara zum Beispiel singt gerne, Yayoi kann gut tanzen. Text lernen ist für alle nicht einfach. Einigen spricht Sabine Hahn ihre Rolle auf Band. Da liegt es nahe, Stücke selbst zu entwickeln, die auf die jeweiligen Fähigkeiten der Ensemblemitglieder zugeschnitten sind. Der Schauspieler und Regisseur Ulrich Marx, von Beginn an dabei, schreibt mittlerweile die meisten Stücke selbst. Eines davon, “Weiße Lilien“ (2015) spielt in einem Bestattungsunternehmen und beschäftigt sich mit dem Tod. Ein heikles Thema? Mag sein, aber ist das ein Grund, es auszusparen? Und schon gar nicht, wenn es so wunderbar wie hier in der Kulisse der Werkstatt eines Bestattungsunternehmens sowohl mit Ernst als auch mit Humor umgesetzt wird.


Für die Erarbeitung eines Stückes trifft sich das Ensemble ein halbes Jahr lang einmal in der Woche. In der Endprobenwoche ist die Gruppe dann nahezu den ganzen Tag zusammen – eine besondere Herausforderung trotz aller freundschaftlichen Verbundenheit, die mittlerweile entstanden ist. Denn hier geht es zwischenmenschlich zu wie in jedem anderen Ensemble auch, es gibt Zu-und Abneigung, Rivalität und Streit. Allerdings: Emotionale Zurückhaltung oder gar taktisches Lavieren findet man hier nicht – das macht die Befindlichkeiten verblüffend transparent.


Wichtig für einen möglichst reibungslosen Probenprozess und Bühnenablauf ist die Mithilfe der professionellen Schauspielerinnen und Schauspieler. Kerstin Thielemann, seit 2014 dabei, weiß, dass sie sich in dieser Gemengelage mit ihren eigenen Bedürfnissen als Schauspielerin zurücknehmen muss und schwärmt von Sabine Hahns klarer Art, Dinge zu vermitteln und Kritik zu äußern, von ihrem sicheren Gespür und gestalterischen Geschick, aus jedem Ensemblemitglied das Optimum herauszuholen. Und von Sabines Freude, wenn etwas gelingt. Auch Bastian Sesjak, der seit Abschluss seiner Schauspielausbildung der Truppe angehört, hat neben seiner Stück-Rolle oft die des Trösters, wenn etwa bei den Proben etwas gar nicht gelingen will, oder die des Katastrophenverhinderers, wenn die Aufführung völlig aus dem Ruder zu laufen droht.


Durch Sabine Hahns Lehrtätigkeit an der Schule des Theaters der Keller sind auch immer Schauspielschülerinnen und -schüler bei den Inszenierungen dabei: Inga Lessmann, Maxim Mumber, Mira Koziol, Luana Bellinghausen, Manuel Bashirpour, Rosana Cleve, Caroline Kohl, Tobias Schwieger, Elena Hollender und Alice Zikeli.


Wer einmal eine Aufführung dieses Ensembles gesehen hat, kann sich seinem Charme nicht entziehen. Rasmus Adams mit seiner ernsten und verschlossenen Art, Michael Kiric, der gerne mit dem Publikum flirtet, Yayoi Mochizuki, die beim Schlussapplaus Kusshände ins Publikum wirft, Lara Schiefenbusch, deren Berufswunsch Sängerin ist und Ruth Werner, die ihr Hörgerät nicht mag und lieber abstellt, was das Soufflieren für Sabine Hahn unmöglich macht, so laut sie auch ruft. Und dann sind da noch Ulrich Beckers, der seine Rollen gerne selbst definiert, Jonas Relitzki, Nico Randel und Turhan Soydan: Sie alle stellen sich mit ihren Fähigkeiten und besonderen Begabungen dem Publikum.

 

„Sie füllen mit ihrer ‚anderen geistigen Ordnung‘ eine Leerstelle in unserem Denken“ steht auf der Presseseite des Berliner „RambaZamba“-Theaters, dem
ersten deutschen inklusiven Theater. Genau das bestätigt sich beim Besuch einer Aufführung der „Theaterkönige“. Es ist ein ganz besonderer Zauber, der in der Spannung zwischen Bühnen-Verabredung und unfreiwilliger Improvisation entsteht und Sabine Hahn ist wieder das kleine Wunder gelungen, eine Gruppe extremer Individualisten in einem Stück zu vereinen und erstrahlen zu lassen.

 

„Ich glaube, das Verrückteste an der Welt – das sind die Menschen“ sagt der Koch in dem Stück „Die drei letzten Tage des abnehmenden Mondes“, das die „Theaterkönige“ 2017 zeigten. Zu den Verrücktesten aber – und das ist durch und durch als Kompliment gemeint - zählt Sabine Hahn, die ein weiteres Ensemble für Menschen mit psychischer Erkrankung „Schwarzes Schaf Deutz“, aufbaute. Ihr kann das Etikett „Inklusion“ wirklich egal sein!


Herzlichen Dank, Sabine, für die „Theaterkönige“!

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